Navigation bar Home To Editions To Books To Database To Textss To About

Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

Previous page Table of Contents Next page

 

10

Einleitung.

 
 

oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen
besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik wid-
men, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit ver-
knüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden:
den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die
Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spiel-
werk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der
Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme
nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Natur-
ell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissen-
schaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführ-
en, wird eine gründliche Anweisung, und von Seiten des Lernenden
viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehr-
begieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen
zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen.
Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß
er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender
Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen
suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß
oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder
vegessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Le-
ction darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht vedsrießen lassen,
wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird; sondern er muß sol-
che Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für
des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters ver-
bessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl
Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon
halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister
ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert
seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne
unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch
zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte
Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öf-
ters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen
kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschrei-
ben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am
besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie

ich

Web site and database © 2001–2020 Steglein Publishing, Inc.


Home Editions Books Database Online Texts About Cart

Steglein