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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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Einleitung.

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Ausarbeitungen, den letztern nicht beykommen? Ist dieses dem puren
Naturell, oder zugleich der Wissenschaft zuzuschreiben? Das Naturell
wird mit angebohren; und die Wissenschaft wird durch gute Unterwei-
sung, und durch fleißiges Nachforschen erlernet: beydes aber gehöret zu
einem guten Componisten. Durch den Operstyl hat zwar der Geschmack
zu, die Wissenschaft aber abgenommen. Denn weil man geglaubet hat,
daß zu dieser Art Musik, mehr Genie und Erfindung, als Wissenschaft
der Setzkunst erfodert würde; auch weil dieselbe gemeiniglich bey den Mu-
sikliebhabern mehr Beyfall findet, als eine Kirchen- oder Instrumental-
Musik: so haben sich mehrentheils die jungen und selbst gewachsenen Com-
ponisten in Italien damit am ersten beschäftiget; um sowohl bald einen
Credit zu erlangen, als auch in kurzer Zeit vor Meister, oder, nach ih-
rer Art, Maestri zu paßiren. Es hat aber die unzeitige Bemühung nach
diesem Titel verursachet, daß die meisten Maestri niemals Scholaren ge-
wesen: indem sie anfänglich keine richtigen Grundsätze erlernet haben, und
nach erhaltenem Beyfall der Unverständigen, sich der Unterweisung nun
schämen. Deswegen ahmet einer dem andern nach, schreibt seine Arbeit
aus, oder giebt wohl gar fremde Arbeit für seine eigene aus, wie die Er-
fahrung lehret; zumal wenn dergleichen Naturalisten sich genöthiget fin-
den, ihr Glück in fremden Landen zu suchen; und die Erfindungen nicht
im Kopfe, sondern im Koffer mit sich führen. Haben sie auch allenfalls
noch die Fähigkeit etwas aus ihrem Kopfe zu erfinden, ohne sich mit frem-
den Federn zu schmücken; so wenden sie doch selten die gehörige Zeit an,
die ein so weitläuftiges Werk, als eine Oper ist, erfodert: sondern es
wird oftmals für eine besondere Geschiklichkeit gehalten, wenn einer die
Fähigkeit besitzet, in zehn oder zwölf Tagen ein ganz Singespiel hinzu-
schmieren; und nur darauf bedacht ist, daß es, wenn es auch weder
schön noch vernünftig seyn sollte, doch zum wenigsten etwas neues sey.
Es läßt sich aber sehr leicht begreifen, was in solcher Eil für gutes her-
vorgebracht werden könne. Die Gedanken müssen ja, so zu sagen, nur in
der Luft erschnappet werden, wie etwan ein Raubthier einen Vogel erha-
schet. Wo bleibt da die Ordnung, der Zusammenhang, und die Säu-
berung der Gedanken? Endlich ist es denn auch dahin gekommen, daß
gegenwärtig in Italien nicht mehr so viel vortreffliche Componisten anzu-
treffen sind, als vormals. Fehlet es aber an erfahrnen Componisten:
wie kann da der gute Geschmack erhalten, oder fortgepflanzet werden?
Wer da weis, was zu einer vollkommenen Oper gehöret, der wird geste-
hen

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