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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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Einleitung.

21

  andere, welche weit weniger mit Worten davon pralen. Hat man es
vielleicht endlich noch durch eine gute Anweisung dahin gebracht, daß
man einigen Beyfall verdienet; so rechnet man sich sogleich unter die
Anzahl der Virtuosen; und glaubet schon die erste Stufe des Parnasses
überstiegen zu haben. Man schämet sich dahero eines fernern Unterrichts;
oder hält denselben für unnöthig. Man verläßt den Meister in der besten
Zeit, oder in der Blüte des Wachsthums. Man suchet nicht das Ur-
theil erfahrner Leute sich zu Nutzen zu machen: sondern man bleibt
lieber in der Unwissenheit stecken, als daß man sich ein wenig herablaßen
wollte, um noch Lehren anzunehmen. Und wenn man auch allenfalls
noch jemanden um diesen oder jenen Zweifel befraget: so geschieht es
doch oft mehr in der Absicht gelobet zu werden, als die Wahrheit zu hö-
ren. Wer wollte endlich alle das Unheil erzählen, welches eine ver-
kehrte Eigenliebe anrichten kann. Es sey mir genug, dargethan zu ha-
ben, daß sie, ob sie auch gleich eine falsche Zufriedenheit wirket, den-
noch eine der größten Hindernisse am Wachsthum in der Musik sey.

21. §.

  Zum Beschluße muß ich noch einigen, die sich durch das Vorur-
theil, als ob das Blasen auf der Flöte der Brust oder Lunge schädlich
sey, zur Nachricht sagen: daß solches nicht nur nicht schädlich, sondern
vielmehr zuträglich und vortheilhaft sey. Die Brust wird dadurch mehr
und mehr eröfnet und stärker gemachet. Ich könnte, wenn es nöthig
wäre, mit Exempeln beweisen, daß einige junge Leute, die einen sehr
kurzen Athem hatten, und kaum fähig waren ein paar Tacte in einem
Athem zu spielen, es endlich durch das Blasen der Flöte, in einigen Jah-
ren, dahin gebracht haben, daß sie mehr als zwanzig Tacte in einem
Athem zu spielen vermögend worden. Es ist also daraus zu schließen,
daß das Blasen auf der Flöte der Lunge eben so wenig schade, als das
Reuten, Fechten, Tanzen und Laufen. Man muß es nur nicht mis-
brauchen; und weder bald nach der Mahlzeit blasen, noch sogleich aufs
Blasen, wenn die Lunge noch in einer starken Bewegung ist, einen kal-
ten Trunk thun. Daß die Trompete eine stärkere Lunge, und noch weit
mehr Kräfte des Leibes erfordere, als die Flöte; wird niemand in Abrede
seyn. Dem ungeachtet zeiget die Erfahrung, daß Leute, so sich mit der
Trompete abgeben, mehrenthei[l]s ein sehr hohes Alter erreichen. Ich
weis mich selbst, von meiner Jugend an, zu erinnern, daß ein junger
Mensch, von sehr schwacher Leibesbeschaffenheit, ein Trompeter worden;
und

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