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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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Das XVIII. Hauptstück. Wie ein Musikus

  Hauptsache: so daß manche Arie, die mit dem Vorigen nicht den gehöri-
gen Zusammenhang hat, nur von ohngefähr eingeschoben zu seyn scheint.
Manchmal mag es einigen Dichtern wohl an der Beurtheilung oder an
der Empfindung gefehlet haben: zuweilen aber kann es seyn, daß sie dem
Componisten zu Gefallen, und nach gewissen Nebenabsichten haben dich-
ten müssen: wenn nämlich die Worte nicht bequem in die Musik zu brin-
gen gewesen sind; woran der Poet Schuld ist; oder wenn etwan der Com-
ponist eine Arie schon fertig hat, deren Worte sich nicht an den Ort, wo
sie hinkommen soll, schicken, und der Dichter also eine Parodie darüber
machen muß; welche freylich nicht allemal zum besten geräth. Biswei-
len müssen sich die Dichter nur bemühen, Worte mit solchen Selbstlau-
tern ausfündig zu machen, die sich gut zu Passagien schicken: wodurch
denn, wenn die Dichter nicht reich an Veränderung der Gedanken und
der Ausdrücke sind, dem Zusammenhange der Sache, und der Schön-
heit der Poesie, freylich nicht allezeit gerathen wird. Doch wird man
wahrnehmen, daß die großen Operndichter, den einzigen Metastasio
ausgenommen, gemeiniglich bey Weitem nicht so bequeme Arien zur Mu-
sik machen, als die mittelmäßigen. Diese müssen sich dem Componisten
wohl bequemen, wenn sie anders fortkommen wollen: jene aber wollen
sich, auch öfters nicht einmal in billigen und nothwendigen Stücken, zum
Vortheile der Musik, von ihrer vermeynten Höhe herab lassen: ob es
gleich gar wohl möglich ist, daß die Poesie und Musik sich mit einander
so vereinigen können, daß keine dabey zu kurz komme; wie nur noch erst
kürzlich, in einem eigenen deutschen Werke: von der musikalischen
Poesie
, mit besonderer Gründlichkeit ist gezeiget worden.

69. §.

  Die Franzosen legen den Italiänern, nicht ganz und gar ohne Grund,
zur Last, daß sie in den Arien, ohne Unterschied, zu viel Passagien an-
bringen. Es ist zwar wahr, daß wenn es der Sinn der Worte erlau-
bet, und der Sänger die Fähigkeit besitzt, Passagien lebhaft, egal, rund,
und deutlich heraus zu bringen, die Passagien eine ausnehmende Zierde
im Singen sind. Es ist aber auch nicht zu läugnen, daß die Italiäner
hierinne bisweilen zu weit gehen, und weder einen Unterschied der Wor-
te, noch der Sänger machen; sondern nur mehrentheils der hergebrach-
ten Gewohnheit, ohne Beurtheilung, nachgehen. Die Passagien mögen
wohl Anfangs, einigen guten Sängern zu Gefallen, so häufig eingefüh-
ret worden seyn, um die Geschiklichkeit ihrer Kehle zu zeigen. Es ist
aber

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